Die Historie des Stadtbads an der Neusser Straße

In Krefeld hat das Baden eine lange Tradition, die schon seit der Antike nachweisbar ist und die über das Gelleper Garnisonsbad bis zum Bockumer Badezentrum reicht. Mit dem Bau des Stadtbades I im Jahre 1890 an der Neusser Straße wurde jedoch alles vorher Dagewesene in den Schatten gestellt. Damals galt die 900.000 Mark teure Badeanstalt als die modernste und luxuriöseste im gesamten Kaiserreich.

Das Bad belegt mit ca. 8.000 Quadratmetern Grundfläche (erweiterbar um 2.500 Quadratmeter) den gesamten Hinterhofbereich im Häuserblock zwischen Neusser Straße, Südwall und Gerberstraße, d. h. im Krefelder Zentrum nahe des Hauptbahnhofes. Der Haupteingang liegt in einem unscheinbaren Wohn- und Geschäftshaus in der Fußgängerzone an der Neusser Straße. Die gesamte Architektur ist nach außen hin kaum auffällig. Umso mehr wurde Wert auf die Funktionalität und die prunkvolle Ausstattung der Innenräume gelegt: So war eine Brennerei über zwei Jahre allein damit beschäftigt, für das Stadtbad zeitgenössische Fliesen zu produzieren.

Das Gebäude verfügt über eine eigene Damenschwimmhalle, die nach einem Erdbeben 1992 großen Schaden nahm und seitdem nicht mehr benutzt wurde. Unzählige Wannen- und Duschbäder boten den Krefelder Bürger*innen in der Frühphase des Betriebs die einzige Möglichkeit auf körperliche Hygiene und Reinigung; mit steigendem Aufkommen privater Waschräume, insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg, trat dieser Zweck zunehmend ›in den Hintergrund. Selbst ein prunkvolles Bad für den Kaiser wurde eingerichtet – ob er tatsächlich einmal dort war, bleibt eine Legende.

Die römisch-irischen Bäder sind besonders aufwändig ausgestattet: mit Dampfgrotte, Saunabereich und Tauchbecken. Ein langgestreckter Ruhesaal mit kassettiertem Tonnengewölbe verdient die meiste Beachtung. Er war noch lange nach der Schließung dieses Traktes ein Treffpunkt der Herrenloge »Schlaraffia«. Das Freibad verfügt über zwei Becken, die von der Gerberstraße aus getrennt zugänglich sind. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Freibad bei einem Luftangriff schwer getroffen und weitgehend zerstört. Nach Kriegsende wurde es zweckmäßig und prunklos wiederhergerichtet. Im 26 x12 m großen Herrenbad fand der Krefelder Schwimmsport sein Zuhause. Von Beginn an wurden Wettkämpfe ausgetragen, und auch Krefelder Olympionikinnen, Welt- und Europameister’innen trainierten im Schwimmbad, unter ihnen zum Beispiel Wiltrud Urselmann und Martha Genenger. Im Jahr 2000, nach einer kurzen Phase der Reaktivierung als Ausweichstandort für das Badezentrum in Krefeld Bockum, schließt auch der letzte Teil des Stadtbades.

Seitdem liegt die Immobilie im Dornröschenschlaf. Ungeheizt und ohne weitere Reparatur- sowie Sicherungsmaßnahmen wird ein Abriss des substanziell grundsoliden Gebäudes in Zukunft wahrscheinlich. Das Außenareal liegt als grüne Oase im Zentrum des Häuserblockes und ist nur von der direkten Nachbarschaft einzusehen. Niemand kann das Bad betreten, die junge Generation kennt es nur noch vom Hörensagen. Trotzdem ist es immer noch ein Ort der Identifikation mit der Stadt und ein emotionaler Ankerpunkt. Seit den 1990er Jahren wird über eine Folgeverwendung des Areals diskutiert und daran gearbeitet. So gab es erfolglose private Initiativen wie »Frauen Wirtschaften«, die über lange Jahre an einem Konzept zur Umnutzung arbeiteten, letztlich aber ohne Unterstützung des damaligen Rates aufgaben. Darüber hinaus versuchte man in mehreren Investorenprojekten, das Gelände als Wellnessoase, Hamam, Markthalle oder Einkaufszentrum zu entwickeln. Diese wurden allesamt von der Stadt mit Optionsverträgen ausgestattet.